Angst vor Konflikten; Unbehagen, über Geld zu sprechen; Schwierigkeiten, sich zu "verkaufen"... Wenn dir diese Gefühle bekannt vorkommen, wenn es darum geht, das unvermeidliche Thema einer Gehaltserhöhung anzusprechen, dann mach dir keine Sorgen!

"Das ist für die meisten Menschen völlig normal", so Fotini Iconomopoulos, Verhandlungscoach für Führungskräfte und Autorin des Buches “Say Less Get More”.

Außerdem fügt sie hinzu, dass du dir folgendes klarmachen solltest, um deine Hemmungen zu diesem Thema von Anfang an abzulegen: “Du fragst nicht nach etwa, das du nicht verdienst, was unfair wäre, oder was das Unternehmen in die Pleite führen würde. Es ist nicht wirklich besser für dich, wenn du jeden Tag verbittert zur Arbeit kommst, weil du denkst, dass du nicht ausreichend wertgeschätzt wirst”.

Fühlst du dich besser? Gut, dann sehen wir uns jetzt an, wie du in sechs Schritten zu einer Win-Win-Vereinbarung mit deinem Arbeitgeber kommst.

Du weißt, was du willst...

  1. …Und was du wert bist
  2. Leiste die Vorarbeit
  3. Wen solltest du wegen einer Gehaltserhöhung fragen? Teamarbeit ist wichtig!
  4. Die richtige Zeit zum Fragen...ist niemals auf den letzten Drücker!
  5. Und was, wenn die Antwort Nein lautet?

1) Du weißt, was du willst...

Der Ratschlag mag offensichtlich klingen, aber zu Beginn jeder Bitte um eine Gehaltserhöhung... solltest du einen eindeutigen Grund dafür darlegen! “Du fragst nicht einfach um des Fragens willen, du musst den Grund dafür kennen", sagt Christian Jennewein, ehemaliger Head of Engineering von BlaBlaCar (4 Jahre) und Director of Engineering von Deezer (2 Jahre).

Die Gründe können vielfältig sein, wie eine Veränderung in deinem Privatleben oder eine Veränderung innerhalb des Unternehmens. Vielleicht haben sich auch deine Fähigkeiten verbessert, du hast neue Verantwortlichkeiten erhalten, eine Beförderung, oder du hast dir ehrgeizigere Ziele gesetzt, etc. Es kann genauso gut sein, dass du einfach festgestellt hast, dass du im Marktvergleich unterbezahlt bist.

“Vor dem Hintergrund des Mangels an Talenten in der Tech-Branche steigt der Wert von einzelnen Mitarbeiterinnen und damit steigen auch die Gehälter ständig an. Daher ist eine Gehaltserhöhung manchmal auch dann gerechtfertigt, wenn sich die internen Umstände nicht ändern"*, bestätigt Christian Jennewein.

2) …Und was du wert bist!...

Der zweite Schritt dieser Vorbereitungsphase besteht darin, seinen Wert zu kennen. Oder direkt gesagt: was deine Fähigkeiten auf dem Markt wert sind.

Das ist keine einfache Übung, aber sie ist für den Erfolg deiner Anfrage entscheidend. “Den schlimmsten Fehler, den du machen kannst, ist es, zu deinem Vorgesetzten zu gehen und zu sagen: ‘Ich glaube, das ist die Summe, die ich eigentlich verdienen sollte.’ Keinen interessiert es, was du denkst! Deine Glaubwürdigkeit hängt von konkreten Tatsachen ab, deiner Nachforschung, deiner Marktstudie, deinem Branchenwissen”, warnt Fotini Iconomopoulos ohne Umschweife.

Der Coach aus Kanada fügt ebenfalls hinzu: “Wenn du nicht gut informiert bist, bietest du deinem Arbeitgeber die Chance, Kontrolle über die Situation zu übernehmen. Das ist wirklich schade, denn heutzutage hast du mit Google die Macht in deinen Fingerspitzen.”

Wie solltest du also vorgehen? Hier sind ein paar Möglichkeiten, die Beantwortung der Frage anzugehen:

Spezialisierte Webseiten: nicht schlecht

Glassdoor, Linkedin, Indeed, Payscale, Comparably, AngelList...An Informationsquellen mangelt es uns nicht. Aber sei mit dieser einfachen Lösung vorsichtig! “Ehrlich gesagt, kann ich keine Webseite wirklich empfehlen”, sagt Nicholas Wagner, Chief People Officer bei 360Learning, mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im Personalwesen.

“In den meisten Fällen geben die Nutzer die Daten selbst an. Du weißt weder etwas über ihre Erfahrungen und Fähigkeiten noch über ihr gesamtes Gehaltspaket. Du kannst Gehaltsdurchschnitte finden... aber hältst du dich selbst für durchschnittlich?", fragt Fotini Iconomopoulos.

Die jährliche Studie der mittleren Gehälter von talent.io: besser!

Die jährliche Studie von talent.io (hier verfügbar) ist vertrauenswürdiger und basiert auf echten Gehaltsangeboten an 100.000 Nutzer*innen auf der Webseite. Sie ist ein Barometer, das dir eine genauere Schätzung ermöglicht. Dies ist einer der besten Ausgangspunkte... zusätzlich zu den folgenden Optionen.

Dein Netzwerk: ein noch genauerer Kompass

Es ist kein magisches Geheimnis: der beste Weg, um den Markt zu kennen... ist, ihn zu befragen! Kollegeinnen; Bekannte; Freundinnen in anderen Unternehmen; Mentor*innen; Kontakte von dir auf Linkedin, mit ähnlicher Erfahrung und ähnlichem Hintergrund...Überall um dich herum gibt es Informationen, und sie sind oft nur einen Klick entfernt. “Du kannst auch direkt an die Leute in dem Unternehmen schreiben, für das du gerne arbeiten würdest”, schlägt Caroline Ramade vor, Gründerin und CEO von 50inTech - ein Unternehmen, das sich für Parität in der Tech-Branche einsetzt.

Denk daran, dass du Informationen teilen musst, um Informationen zu erhalten. “Hab’ keine Angst, deinen Kollegen dein Gehalt offenzulegen, um im Gegenzug ihres zu erfahren. Das hilft dir zu verstehen, wo du stehst. Das Gehalt hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, deshalb ist ein Vergleich nicht immer einfach, aber zumindest bekommst du ein Gefühl für den Markt”, sagt Christian Jennewein, der jetzt CEO des Startups Ciklet ist.

“Aber du solltest den Fehler vermeiden, dein Gehalt mit Leuten zu vergleichen, mit denen du deinen Abschluss gemacht hast, warnt Nicholas Wagner. Du musst Gleiches mit Gleichem vergleichen: Wenn du nicht denselben beruflichen Werdegang hast, erfährst du dadurch nichts Nützliches.”

Recruitment-Expert*innen: das Sahnehäubchen

Und es gibt noch eine letzte Option: Recruitment-Expert*innen! “In unserer Branche ist es nicht unüblich, dass du angeworben wirst, manchmal sogar ziemlich aggressiv, mit Gehaltsdiskussionen direkt am Anfang der Unterhaltung. Natürlich gehört das zum “Verkaufen” des Jobs dazu. Es ist immer etwas unpassend, aber es gibt dir eine Vorstellung davon, was in deinem Bereich üblich ist”, sagt Christian Jennewein, ehemaliger Tech Lead bei BlaBlaCar und Deezer.

In ähnlicher Weise bietet talent.io dir Unterstützung von einem/einer Expert*in für das Recruitment im Tech-Bereich, der/die dir hilft, dein Gehalt zu einzuschätzen und dir Argumente zur Verteidigung deines Standpunkts liefert.

Warum nimmst du nicht auch an einem Einstellungsprozess teil, um Informationen zu sammeln? "In gewisser Weise bist du ein Teil des Marktes, und du kannst anderswo Angebote einholen, um anschließend besser verhandeln zu können", fährt er fort und gibt zu, dass zwischen 10 % und 20 % der Mitglieder seines Teams in der Vergangenheit offen über Angebote von außerhalb des Unternehmens gesprochen haben. Das gehört alles zum Spiel!

Sobald du diese Benchmark abgeschlossen hast, empfiehlt Caroline Ramade, dass du drei verschiedene Zahlen auf ein Blatt Papier schreibst: ein “Hallelujah” (dein Wunschgehalt), ein “Oh, ja!” (eine Summe, mit der du zufrieden wärst) und eine “Sch**ß Zahl” (deine unterste Gehaltsgrenze).

Wissen ist Macht, und nun bist du bereit für die nächsten Schritte.

3) Do the groundwork Lege die Grundlage

Wir hätten mit diesem offensichtlichen Ratschlag starten können, aber wie Christian Jennewein sagt: “Wenn du deinen Job gut machst, brauchst du dich nicht um dein Gehalt zu sorgen!” Tatsächlich ist es ein guter Anfang, seinen Job gut zu erledigen. Wenn das nicht der Fall ist, ist jeder Wunsch auf eine Gehaltserhöhung am Ende nur ein Wunschtraum.

Gleichwohl kannst du gute Arbeit leisten... und andere wissen lassen, dass du gute Arbeit leistet. Es reicht also nicht allein, in dem gut zu sein, was man tut, sondern du solltest deine Leistungen auch nachhalten.

"Es gibt einige Unternehmen, wie zum Beispiel Deezer, in denen es Tools gibt, um die einzelnen Ziele zu verfolgen und Projekte und deren Erfolge zu überwachen. Aber wenn das in deinem Unternehmen nicht der Fall ist, musst du dich selbst darum kümmern", sagt Christian. Klingt wie Politik? Nicht unbedingt. Vielmehr ist es eine Zusammenfassung deines Einflusses und deines Beitrags zur Wertschöpfung in deinem Unternehmen.

Denk daran, dass während deines jährlichen Leistungsgesprächs deine Arbeit für den gesamten Zeitrum bewertet wird, nicht nur jene, die du in den letzten paar Wochen geleistet hast. Deshalb kannst du deine Leistungen auch protokollieren, um sie nicht zu vergessen. “Als Vorgesetzte bewerten wir selbstverständlich unsere Teammitglieder. Aber wenn ein(e) Entwicklerin die Dinge vorab schriftlich festgehalten hat und uns Beweise für seinen/ihren Erfolg liefern kann, macht es die Besprechung einfacher”,* so seine Meinung.

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4) Wen solltest du nach einer Gehaltserhöhung fragen? Es dreht sich alles ums Teamwork!

Anders als allgemein angenommen, entscheidet nicht nur eine Person über eine Erhöhung. “Natürlich hängt es von der Größe des Unternehmens ab, aber oft gibt es eine Entscheidungskette. Jeder in dieser Kette muss denken, dass du es verdienst”, erklärt Caroline Ramade.

Der Schlüssel dazu ist, die Kräfte zu verstehen, die man überzeugen muss. "Unter diesem Gesichtspunkt ist Mentoring gut, aber Sponsoring ist noch besser", fährt sie fort. "Ein Mentor wird zu dir sagen: 'Du solltest auf dieser Konferenz einen Vortrag halten'. Ein Sponsor sagt: 'Hey, ich habe dich als Redner für diese Konferenz angemeldet'". Du siehst also die Nuancen. Entscheidend ist es, sich mit Menschen zu umgeben, die an dich glauben und dir helfen, zu wachsen.

Ein weiterer wichtiger Ratschlag: du solltest niemals deine(n) Vorgesetzte*in übergehen! “Das ist ein eindeutiges No-Go für mich”, erklärt Christian Jennewein. “Der/die Vorgesetzte muss eher ein Verbündeter bei deinem Erfolg sein als ein Hindernis. Da du für deine eigene Karriere verantwortlich bist, liegt es an dir, ihnen zu helfen, ein gutes Wort für dich einzulegen. Auf diese Weise kann er oder sie die Entscheidungsträger beeinflussen”, erzählte uns Caroline Ramade.

Und diese Ansicht wird von Christian Jennewein geteilt, der seinen Job gerne als “Karriereberater” beschreibt. “Meine Aufgabe ist nicht, über Gehälter zu entscheiden, sondern vielmehr vor dem Management für die Wünsche nach einer Gehaltserhöhung meines Teams einzustehen, so dass jeder so fair wie möglich bezahlt wird. Wenn du deine Absichten mit mir eindeutig teilst, werde ich mich für dich einsetzen, so dass du deine mittel- und langfristigen Ziele erreichen kannst”, sagt er.

5) Der richtige Zeitpunkt zu fragen...ist niemals auf den letzten Drücker

“Bitte warte nicht bis zum Endes des Jahre, um nach einer Gehaltserhöhung zu fragen!”, antwortet Fotini Iconomopoulos auf die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt. “Das zeigt, das du nicht weiß, wie Gehaltserhöhungen im Allgemeinen ablaufen. Bevor du überhaupt nach einer Gehaltserhöhung gefragt hast, gab es schon Verhandlungen zwischen deinem/deiner Vorgesetzten und deren Vorgesetzten”, bestätigt sie. “Dein(e) Vorgesetzter hat bereits ein festgelegtes Budget für Gehaltserhöhungen”, und deshalb solltest du deine Absichten so früh wie möglich äußern. “

Diesen Ratschlag gibt auch David Buckmaster, ehemaliger Global Compensation Director bei Nike, in seinem jüngsten Buch Fair Pay. Er empfiehlt, das Thema drei oder vier Monate früher anzusprechen.

Hier ist ein praktisches Beispiel dafür, was sich hinter dem ganzen Prozess verbirgt: Christian Jennewein kannte Ende November sein Budget und damit den Spielraum, den er zu Beginn des folgenden Jahres für die Gehaltserhöhungen seines Teams haben würde. Dies veranschaulicht die bestehenden Zwänge, die sich auf deinen Antrag auswirken werden. Natürlich solltest du auch die wirtschaftliche Situation deines Unternehmens berücksichtigen. "Ich habe auch schon prosperierende Situationen erlebt, als ich die Anweisung erhielt, 0 Gehaltserhöhungen zu geben. Das heißt nicht, dass niemand eine Gehaltserhöhung bekommen hat, sondern dass sie sich viel mehr anstrengen mussten, um sie zu bekommen. Das sollte man im Hinterkopf behalten", sagt er uns.

Deshalb sieht das Ziel folgendermaßen aus: deine Erwartungen lange vor dem Zeitpunkt offen mitzuteilen, so dass dein(e) Vorgesetzte*r so viel Budget wie möglich für Gehaltserhöhungen sichern kann. Denk daran, dass ein großer Teil des Prozesses bereits gelaufen ist, wenn es zum Leistungsgespräch kommt.

“Ich kennen die genauen Gehälter meines Teams [zum Beispiel 27 Leute bei Deezer], die wirtschaftliche Situation des Unternehmens, wieviel Spielraum ich habe, und ich habe auch eine Meinung über die Person. Mit alldem habe ich eine genaue Idee davon, was ich anbieten kann. Also gibt es in dieser Phase nicht wirklich viel, was man verhandeln könnte”, erzählt uns der französisch-deutsche Manager. Die Verhandlung findet nicht wirklich während des Gesprächs statt. “Jeder präsentiert seine/ihre Argumente, und wenn es eine große Differenz gibt, belassen wir es dabei, und ich versuche mich für sie einzusetzen, um das Angebot zu erhöhen”, fasst er zusammen.

6) Und was, wenn du Antwort Nein lautet?

”Deine Anfrage wurde abgelehnt....noch ist es nicht vorbei! “’Nein’ bedeutet nicht unbedingt das Ende einer Verhandlung, es ist eher die Ausgangsbasis”, lächelt Fotini Iconomopoulos. “Es ist an der Zeit, mehr Informationen zu sammeln und einen Termin für den nächsten Schritt festzulegen.”

Du darfst die Ablehnung nicht als unvermeidbaren Misserfolg ansehen und...darfst dich nicht unterkriegen lassen! “Eine Gehaltserhöhung ist für Sie nicht möglich.” Okay...aber warum? Wo liegt das Problem? “Es ist nicht der richtige Zeitpunkt.” Okay, aber wann ist der Zeitpunkt besser? “Dem Unternehmen geht es nicht gut”. Okay, woran erkennen wir, dass die Dinge besser werden?

“Ziel ist es, eine 2. Stufe zu schaffen, ein nächstes Treffen. Psychologisch gesehen wird dies den Arbeitgeber dazu zwingen, eine Verpflichtung einzugehen”, versichert die Autorin von Say Less, Get More.

Sie empfiehlt zudem, dass du niemals deine Beherrschung verlieren solltest. “Du verlierst deine Glaubwürdigkeit, und die Leute werden nicht mehr mit dir arbeiten wollen”, stellt sie fest.

Und wenn du das Gefühl hast, dass du vertröstet wirst und das Unternehmen dir keine Antworten auf die oben genannten Fragen gibt? "Das ist für mich ein rotes Tuch", gibt der Coach zu. “Du musst nicht sofort kündigen... Aber halte nach einer neuen Stelle Ausschau, wenn du mit deiner Situation nicht zufrieden bist!”

Jetzt bist du besser informiert, was die schwierige Herausforderung angeht, eine Gehaltserhöhung zu verlangen. Natürlich gibt es noch mehr zu sagen (Vielfalt der verschiedenen Pakete, Wichtigkeit der Unternehmenskultur, etc.) Aber das wird Thema eines zukünftigen Artikels im talent club sein ;)

Quellen zur weiteren Vertiefung:

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